Nutzenbewertung innovativer Arzneimittel nach AMNOG

Der Prozess der frühen Nutzenbewertung innovativer Arzneimittel nach Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Systematisierung und empirische Analyse der Entscheidungsprozesse

Hintergrund

In den meisten industrialisierten Ländern haben sich in den letzten Jahren Prozesse etabliert, die die Erstattungsfähigkeit neuer Gesundheitstechnologien bewerten. In den sogenannten vierte Hürde Prozessen wird unter Berücksichtigung von Aspekten der medizinischen Effektivität und der Kosten-(Effektivität) überprüft, ob und inwieweit die Leistung für den Vergütungskatalog eines Sozialversicherungsträgers oder eines nationalen Gesundheitsdienstes geeignet ist. Für die deutsche gesetzliche Krankenversicherung (GKV) haben sich mit Verabschiedung des Arzneimittelmarkt­neuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2010 die Rahmenbedingungen für den Marktzugang patentgeschützter Arzneimittel ebenfalls stark verändert. Hersteller müssen nun innerhalb von drei Monaten nach Markteintritt beim entscheidenden Gremium, dem gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), ein Dossier einreichen, das den medizinischen Nutzen und Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie belegt. Abhängig von dem Ausgang der Nutzenbewertung durch den G-BA kann der Hersteller im Anschluss mit dem GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessensvertretung der Krankenkassen, in Preisverhandlungen treten oder unterliegt weiter gehender Regulierung, z.B. kann das Arzneimittel in eine Festbetragsgruppe mit vergleichbaren Wirkstoffen eingeordnet werden.

Mit dem AMNOG wurde die Regulierung von patentgeschützten Arzneimitteln innerhalb der GVK so verändert, dass bei Markteintritt neuer Wirkstoffe die bestehende Versorgungssituation berücksichtigt wird um den Preis zu identifizieren, der den patientenrelevanten Zusatznutzen der Innovation adäquat widerspiegelt. Hieraus ergibt sich ein Interesse der beteiligten Stakeholder in der Gesundheitspolitik wie der GKV, der Industrie als auch Patientenvertretern und Ärzten, Erkenntnisse über das Handeln der an der Entscheidungsfindung beteiligten Institutionen und den Entscheidungsprozessen selbst zu gewinnen. Dies zum einen, um die Entsprechung von Politik- und Versorgungszielen mit dem Verhalten der beauftragten Entscheidungsgremien sicherzustellen. Zum anderen, um durch den Abbau von Informationsasymmetrien zwischen Industrie und Entscheidern bezüglich der Informationsbedürfnisse der Entscheider Transaktionskosten senken zu können. Zudem braucht es Erkenntnis welche Auswirkungen diese Regulierung auf die beteiligten Stakeholder hat, insbesondere der Ärzte, welche die Verordnungsentscheidung für die Patienten treffen.

Ziel

Daher wurden anhand der bestehenden Nutzenbewertungen seit Anfang 2011 und unter Verwendung von Regressionsverfahren Einflussfaktoren für die Bestimmung des Zusatznutzens sowie der Höhe des zu entrichtenden Rabattes identifiziert. Das im Antrag beschriebene Arbeitsprogramm wurde entsprechend umgesetzt. Unter Verwendung der AMNOG-Datenbank sind im Projektverlauf drei Forschungsarbeiten entstanden, die folgende Teilaspekte gemäß Arbeitsprogramm und darüber hinaus gehende Fragestellungen bearbeiteten:

1. Analyse von Effekten der Nutzenbewertung und / oder des Entscheidungsprozesses auf den Preis bzw. die Höhe des zu entrichtenden Rabattes

2. Frühe Nutzenbewertung nach AMNOG – Internationaler Vergleich mit Entscheidungen in England, Schottland und Australien

3. Einfluss der Bewertung über den Zusatznutzen neuer Wirkstoffe auf das Adoptionsverhalten durch Ärzte

Datenbank (DOI: 10.13140/RG.2.2.18391.16809)

Zur Untersuchung der Forschungsfragen war die zweifache Erhebung aller Entscheidungen nach AMNOG in Form einer Datenbank das zentrale Element des Projektes. Hierzu wurden im Projektverlauf alle seitens des G-BA abgeschlossenen Entscheidungen zwischen Januar 2011 und Dezember 2015 durch studentische Hilfskräfte erfasst. Die erhobenen Datenpunkte erfassen zu jedem bewerteten Wirkstoff Daten zu der vom Hersteller eingereichten Evidenz, die Entscheidung des G-BA sowie dessen Bewertung der Evidenz, die Bewertung des IQWIG, der Preisverhandlungen des GKV-Spitzenverbands sowie Informationen zu Arzneimittelpreisen gemäß Lauer-Taxe.

Insgesamt wurden 170 Entscheidungen zu 137 Wirkstoffen erfasst. Dies korrespondiert mit 215 Anwendungsgebieten und 527 Patientengruppen. Je Wirkstoff sind in der Regel mehrere Patientengruppen erfasst in potenziell unterschiedlichen Anwendungsgebieten, für die sich die Entscheidungsergebnisse unterscheiden. Zudem gibt es auf dieser Ebene Variation in der zur Verfügung stehenden Evidenz. Abbildung 1 zeigt die Verknüpfung der verschiedenen Ebenen:

Abbildung 1: erfasste Beobachtungsebenen der AMNOG-Datenbank

Tabelle 1: Abweichungen zwischen zwei Erhebungen der AMNOG-Nutzenbewertung

 

 Die Datenbank ist auf Anfrage für wissenschaftliche Zwecke verwendbar.

Ergebnisse

Für eine ausführliche Darstellung wird auf den Bericht an die DFG verwiesen.